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Malerei als moralisches Wünschen - zu den Bildern des Hans-Georg Strauch

ein Text von Wolfgang Faets

Ich habe nur Absichten und Versprechungen hinneingezeichnet ... Ja glauben Sie etwa, daß man solche Absichten zeigen oder gar betonen kann, indem man die einzelnen Teile ziseliert, besonders in einem großen, dekorativen Bilde? (Paul Gauguin an Daniel de Montfreid)

Zu Beginn gibt es, ein wohl jedem bekanntes Paradoxon zu konstatieren: Je näher man einem Menschen ist, desto schwieriger wird es häufig, ihn in rechter Weise zu sehen. Dies geschieht aus dreierlei Gründen: Zum ersten ergibt sich eine Art Sonderform des Verhaltens, das durch die Nähe einer Person ein anderes zu werden pflegt, als es zu dritten hin ist. Zum zweiten nimmt man auftretende Mißhelligkeiten mit gesteigerter Toleranz hin. Zum dritten neigt man dazu, positive Züge in einer etwas verkleinerten Form wahrzunehmen, als es angebracht wäre, da sie einem als Nahestehendem in besonderer Weise und auch häufiger zugute kommen; sie werden somit fast zu etwas Selbstverständlichem und Alltäglichem und verlieren daher vielleicht ihre Besonderheiten.

Erst eine Sicht aus der Distanz ermöglicht einen Blick auf geklärtes Terrain und bringt die Gegebenheiten wieder an den rechten Platz. Distanz umfaßt hier nicht das räumliche sondern das zeitliche Element. Und so ist es uns mehr als zwei Jahre nach Hans-Georg Strauchs Tod leichter festzustellen, was die Besonderheiten und Wirkkräfte seiner Malerei ausmachte. Daß er gleichzeitig vieles war: Maler, Galerist, Bohemien, Enfant Terrible, kann nicht unerwähnt bleiben. Diese Gleichzeitigkeit des Vielen machte ihn auch zerrissen, da sich so viele Ansprüche anderer bildeten, die gleichzeitig gar nicht einlösbar waren. Wollen und Handeln gingen ihm oft auseinander, und so war auch sein Verhalten zu anderen Menschen häufig ambivalent. Er war gleichzeitig gebend und fordernd, einfühlsam und verletzend, integrierend und spaltend, liebevoll und schroff. Doch waren all dies immer nur Erscheinungsformen eines Tages, was gestern im Wortgetümmel geendet hatte, war heute vergeben und somit auch vergessen. Hinzu gesellte sich eine fast endlose Geduld bei Gesprächen, denen auch so etwas wie eine Sucht innewohnte.

Zuweilen schien er unendlich viel Zeit für jeden zu haben, Gespräche konnten sich über Stunden hinziehen, bis in die Nacht, manchmal sogar bis zum Morgengrauen. Dabei ging es sprunghaft zu, ein Thema löste das andere ab, im Morgengrauen stellte man fest, daß man alle Themen der Welt gestreift hatte, wobei man auf die ein oder andere Flasche sah, die im Zuge der nächtlichen Gespräche geleert worden war. Daß gerade die Nacht - auch in künstlerischer Hinsicht - seine Zeit war, zeigt uns eine weitere Widersprüchlichkeit auf: Ihm, dem soviel an menschlicher Nähe und dem damit einhergehenden Trubel lag, war die Abgeschiedenheit und Einsamkeit der Nacht die bevorzugte Arbeitszeit.

Er brauchte also Distanz zum Lebensstil des Tages, um überhaupt künstlerisch arbeiten zu können. Die nächtliche Gegenwart anderer bildete wohl nur eine Gesprächskulisse, die er dann als angenehme Zutat zuweilen hinnahm. Meist aber war er allein mit den Leinwänden, und nicht selten waren die Resultate am Morgen, wenn man ins Atelier trat, als Ergebnisse von Farbschlachten zu konstatieren: Atelier und Decke voller Farbe, Nebenergebnisse der Herstellung von vier oder fünf nicht selten großformatiger Bilder in einer Nacht, fast wie in einem nächtlichen Rausch.

Menschlich war das Außenseitertum seine Domäne; dieses zur Normalität zu erheben war sein Bestreben. Daß ihm dies gleichzeitig in Bezug auf seine Person gelang und im weitergehenden, allgemeinen Sinne mißlang, charakterisiert ihn fast am besten.

Wir wollen uns in der Rückschau vor allem an das malerische Werk Strauchs halten und jene Tätigkeiten beiseite lassen, die das Umfeld der Galerie 46 umfassen, und zwar trotz unseres Wissens, daß hier Wechselwirkungen festzustellen sind.

Wenn wir Strauchs künstlerisches Leben kennzeichnen wollen, so müssen wir drei Phasen benennen: in den fünfziger Jahren eine erste Phase als Anlauf, in den sechziger und siebziger Jahren eine zweite Phase fast als Ruhenlassen, in den achtziger Jahren eine dritte Phase als stürmischer und ausufernder Abschluß.

Hält man sich an die ein wenig grobe Einteilung nach Jahrzehnten, so stellen wir fest, daß der künstlerisch-tätigen Zeit von etwa zwanzig Jahren eine genauso lange Zeit gegenüberzustellen ist, in der das Künstlerische zwar nicht verloren war, aber doch eher in einer Art Schwelbrand-Zustand überdauerte.

Dieser Text muß noch ergänzt werden.